Nach einem ereignisfreien Tag – ich schreibe bis 17 Uhr, eile dann freudig in die Lobby zum Free WiFi, das natürlich just zusammengebrochen ist; die Stromversorgung zeigt sich heute generell kapriziös, es ist nicht der Tag zum Fahrstuhlfahren – nehme ich um 19 Uhr ein Taxi zum Bahnhof. Um 20:05 geht der Zug, 45 Minuten eher, als es in meinen Unterlagen stand, wohl dem, der nicht vergißt, vorsichtshalber die eigentliche Fahrkarte zu dechiffrieren. Malerisch ist, das jeder Passagier mit mindestens zwei bis vier Melonen im Handgepäck reist. Und die Dinger sind groß wie eineinhalbjährige Kinder.
Sonntag, 15. August 2010
15./16. August. Nachts nach Kasachstan
Der Zug ist mal wieder überaus adrett, in den 1.-Klasse-Abteilen gibt’s stets ein hübsch dekoriertes Teeservice auf den Tischen, Wasser kommt aus dem Samowar am Ende des Ganges. Die Verspätungen haben übrigens radikal aufgehört, kaum, daß ich aus dem schludrigen Europa raus war, seit dem Iran fahren die Züge auf die Minute pünktlich und kommen fast ebenso pünktlich an – selbst der heutige wird das schaffen, trotz unberechenbaren Stunden an der Grenze, ein Mysterium, wie er das macht.
Keine Klimaanlage. Gottseidank! Lieber sterbe ich vor Hitze als zu erfrieren.
Die Grenze erreichen wir bereits eine Stunde nach Abfahrt. Es ist natürlich eigentlich eine tolle Gedönsgrenze, bloß hat man als Zugpassagier nicht so viel davon, mir sind die Aktivgrenzen lieber. Hier lungern wir lediglich im Abteil rum, füllen die langwierigen usbekischen Zollformulare aus – den Kasachen ist das zu doof, sie haben keins –, zeigen ab und zu unser Gepäck jemandem vor, der nur mäßig dran interessiert ist, tätscheln die diversen Hunde, mit denen man vorbeischaut, Schäferhunde und Cockerspaniel, einen der letzteren zertrete ich, ist aber auch verdammt eng im Abteil.
Die Usbeken sind gründlich. Sie lassen gar sämtliche Deckenverkleidungen öffnen, außerdem haben sie den Papierkram. Der Kasache sieht’s relaxter, trägt aber genauso schöne große Uniformhüte.
Dreieinhalb Stunden dauert der Spaß, zwischendrin fahren wir zehn Minuten von Usbeken zu Kasachen, der Augenblick, hastig zum Klo zu stürmen, an der Grenze ist’s geschlossen.
Es ist wahnwitzig irrsinnig geisteskrank heiß. Es ist fast so heiß wie in deutschen Zügen. Die Schrift auf den Zollformularen verwischt, weil der Stirnschweiß darauf tropft. Strömt. Schwallt. Ich sterbe vor Hitze, warum zum Teufel haben die hier eigentlich keine Klimaanlage?
Meine Abteilgenossin ist eine bezaubernde Usbekin, vielleicht ein paar Jahre jünger als ich. Sie bietet mir halbgefrorenen Eistee an und umsorgt und umhegt mich auf’s Liebevollste. Allen Offiziellen erklärt sie, ich sei Deutsche und verstünde kein Russisch, sie checkt, ob ich genug Stempel in meinen Paß bekommen habe, sie reicht mir Erfrischungstücher, wir gehen zusammen rauchen. Als ich ihr meinerseits Mineralwasser anbiete, simuliert sie einen entzückenden Schluckauf, um mir zu verdeutlichen, sie vertrüge die Kohlensäure nicht. Unser Zug fährt nach Moskau – wache ich nachher um entweder vier oder fünf nicht rechtzeitig auf, habe ich ein Problem –, dort will sie hin, Urlaub, ihren Bruder besuchen. Deswegen führt sie allerhand hausgemachte Würste und halbe Hühner mit, sehr zur Freude der Cockerspaniel.
An der kasachischen Grenze spielt sich draußen ein Drama ab. Eine Frau schreit und heult, als ginge es um ihr Leben, wirft sich zu Boden, immer mehr Uniformierte stehen drum rum und wissen auch nicht recht, was zu tun ist. Von oben aus dem Abteilfenster läßt sich deren Mützendurchmesser besonders gut bewundern. Ich finde nicht raus, was mit der Frau ist, es wird ein Geheimnis bleiben müssen. Es gesellen sich dann noch zwei junge Kerls zu uns ins Abteil, meine Reisegenossin protestiert schwach, es sei ein Damenabteil, mir ist es wumpe, ich liege eh im Hitzekoma und halluziniere vor mich hin.
Gegen halb eins setzen wir uns in Bewegung, gegen vier schrecke ich aus wilden Träumen: Der Zug steht. Ein Schnaffner, den ich vorhin fragte – hat bloß fünf Minuten gedauert, dann war ich zugweit bekannt wie ein bunter Hund, eine Deutsche, man stelle sich vor! –, behauptete, um vier seien wir in Turkistan. Springe hektisch hoch, keine Ahnung, wie lange wir hier schon stehen, sprinte zum Waggonende, werde vom Schaffner beruhigt: Ist noch nicht so weit. Ein Wechselmann gesellt sich dazu, Turkistan in einer Stunde, sagt er, um sechs, so kann ich mich endlich vergewissern, daß ich wieder eine Stunde verliere – im Lonely Planet stand’s nicht drin. Aus lauter Dankbarkeit wechsele ich beim Wechselmann meine restlichen Sum, ein sehr unbefriedigendes Geschäft, ich drücke ihm ein Fuder Scheine in die Hand und erhalte eine kümmerliche Banknote zurück. Das sei noch nicht alles, macht er mir klar, aber er hätte gerade nicht mehr Tenge, und seine Rubel will ich nicht.
Ich rauche gemeinsam mit dem Schaffner eine Zigarette, er sagt mir, wie schön ich sei, und lädt mich zum Flirten in sein Abteil ein, ich sage dankend ab, ich schlafe lieber noch eine Dreiviertelstunde.
Der Zug, wie gesagt, kommt pünktlich auf die Minute an. Meine Reisegenossin begleitet mich noch zur Tür, sie ist so süß, ich würde sie am liebsten behalten. Dann stehe ich kurz vor Tagesanbruch in Kasachstan. Auf dem Bahnsteig. Rum.
Einige der fliegenden Bahnhofshändler errichten ihre Stände, andere schlafen noch auf ebendiesen. Wechselmann kommt und drückt mir ein Häufchen Rubel in die Finger, Tenges sind und bleiben wohl knapp. Ein merkwürdiger Mensch mit Kutte, Turban und Gandalfstock spricht mich an, „Schwester“, sagt er, den Rest verstehe ich nicht. Er wird von einer Bahnhofsvorstehermatrone verscheucht, die ich nach einem Taxi frage, ohne große Hoffnung, hier regt sich noch nix in der Stadt. Sie erzählt mir viel, das ich wenig verstehe, dann nimmt mich ein alter Mann in seinem Mercedes mit in die Stadt. Nehme ich doch an. Hoffe ich irgendwie. Ich werde durch Schlafmangel nicht unbedingt plietscher.
Der Greis trägt eine Art Admiralsuniform und sieht darin wichtig aus, wahrscheinlich aber, nach meiner Erfahrung mit derartigen Sachlagen, ist er bloß zweiter Kellner. Oder nicht? Der Mercedes spricht dagegen. Keine Ahnung, ob das jetzt ein Taxi oder eine freundliche Geste ist, man kann ja auch nicht immer alles wissen.
Wir fahren im ersten Morgenlicht durch die schlafende Stadt. Halten auf einem Parkplatz, und von dort sieht man das Yassaui-Mausoleum, rosig schimmernd und unwirklich erhebt es sich aus einer karstigen Brache. Es ist der letzte Timur-Bau auf meinem Weg, und jetzt und hier, kurz vor Sonnenaufgang, an meinem ersten Morgen in Kasachstan, auf einem stuppigen Parkplatz, übermüdet und ohne ein Hotel in Sichtweite und stattdessen mit einem ungeklärten greisen Admiral am Hals, ist es wunderschön, viel schöner als zweimal Registan.
Ich packe die Brieftasche aus, aber der Admiral will kein Geld, der Admiral will Küßchen und eine Verabredung am Abend. Das Küßchen hat er mir derart blitzschnell ins Gesicht gehackt, daß ich mich kaum wegducken konnte, die Verabredung verstehe ich nicht, ich kann nämlich auch unheimlich wenig Russisch verstehen, wenn ich will. Er steigt in den Wagen, hält noch mal an, will doch Geld, hat sich wohl überlegt, der Tenge in der Hand sei immer noch besser als das Date auf dem Dach. Ich reiche ihm die zerknautschten Rubel, er darf sich die schönsten aussuchen, mehr als ein oder zwei Euro sind’s eh nicht. Wo das Hotel Yassi denn nun sei, frage ich, er weist mit einer großzügigen Geste Richtung Horizont, dann lichtet er Anker.
Steh ich hier also mal morgens in Kasachstan rum. Laßt uns Lonely Planet preisen, denn obwohl der über Turkestan nicht mehr als eine Seite zu berichten weiß, ein Stadtplänchen ist dabei. Ich schultere mein übergroßes Marschgepäck – der Frontbeutlerbeutel ist das Problem, mit Kamera und Laptop ist er zu schwer, Airbook müßte man haben –, und wandere, das Yasaui-Mausoleum zur Linken, dem Horizont entgegen.
Wo in der Tat alsbald das Hotel Yassi auftaucht. Dem Menschen, den ich dort geweckt kriege, sollte man aufgrund seiner Gemütsveranlagung einen Umzug nach Maschhad nahelegen. (Wer das dementsprechende Kapitel verpaßt hat: Er ist ein ekelhafter Bastard und behandelt mich wie ein Stück Scheiße.) Unsere Beziehung bessert sich auch nicht eigentlich durch die Tatsache, daß es wider Erwarten überhaupt keine Reservierung für mich gibt. Weil man in Buchara schon Schwierigkeiten hatte, die zu finden, gebe ich ihm meine Kopie, er schleudert sie mir zurück ins Gesicht. Barsch zeigt er auf die Preisliste und hat offensichtlich eine schwere Gästephobie. Nun kostet das Einzelzimmer 3.000 Tenge, gut 15 Euro, das kann ich mir leisten (nachmittags beim Smalltalk wird eine junge Ladenangestellte aus dem Staunen nicht rauskommen, wie ich in einem so teuren Hotel absteigen kann) – bloß a.) jetzt gerade nicht, ich hab ja noch keine Tenge, und b.) stellt sich damit wieder mal das große Fahrkartenproblem, denn die Fahrkarten, die in Buchara fehlten, sollte ich jetzt und hier in diesem Hotel hinterlegt bekommen, wo ich gleich, wenn ich mich nicht schnellstens unterwürfig zeige, mit Schlägen vor die Tür gejagt werde.
Ich mache dem Bastard klar, daß bei aller Liebe ich erst mit Banköffnung tengefähig werden kann, und bekomme ein Zimmer im Tausch gegen meinen Paß. Ist genau der Typ, dem ich gerne mal meinen Paß aushändige. Ist aber nicht zu ändern, ich kann im Augenblick nichts machen, in Hamburg ist es drei Uhr morgens, in Taschkent, wo die Agenturansprechdame beheimatet ist, deren Telefonnummer das letzte Mal schon nicht funktionierte, fünf Uhr früh. Das einzige, was ich grad tun kann, ist schlafen, und das kann ich sogar ziemlich gut.
Keine Klimaanlage. Gottseidank! Lieber sterbe ich vor Hitze als zu erfrieren.
Die Grenze erreichen wir bereits eine Stunde nach Abfahrt. Es ist natürlich eigentlich eine tolle Gedönsgrenze, bloß hat man als Zugpassagier nicht so viel davon, mir sind die Aktivgrenzen lieber. Hier lungern wir lediglich im Abteil rum, füllen die langwierigen usbekischen Zollformulare aus – den Kasachen ist das zu doof, sie haben keins –, zeigen ab und zu unser Gepäck jemandem vor, der nur mäßig dran interessiert ist, tätscheln die diversen Hunde, mit denen man vorbeischaut, Schäferhunde und Cockerspaniel, einen der letzteren zertrete ich, ist aber auch verdammt eng im Abteil.
Die Usbeken sind gründlich. Sie lassen gar sämtliche Deckenverkleidungen öffnen, außerdem haben sie den Papierkram. Der Kasache sieht’s relaxter, trägt aber genauso schöne große Uniformhüte.
Dreieinhalb Stunden dauert der Spaß, zwischendrin fahren wir zehn Minuten von Usbeken zu Kasachen, der Augenblick, hastig zum Klo zu stürmen, an der Grenze ist’s geschlossen.
Es ist wahnwitzig irrsinnig geisteskrank heiß. Es ist fast so heiß wie in deutschen Zügen. Die Schrift auf den Zollformularen verwischt, weil der Stirnschweiß darauf tropft. Strömt. Schwallt. Ich sterbe vor Hitze, warum zum Teufel haben die hier eigentlich keine Klimaanlage?
Meine Abteilgenossin ist eine bezaubernde Usbekin, vielleicht ein paar Jahre jünger als ich. Sie bietet mir halbgefrorenen Eistee an und umsorgt und umhegt mich auf’s Liebevollste. Allen Offiziellen erklärt sie, ich sei Deutsche und verstünde kein Russisch, sie checkt, ob ich genug Stempel in meinen Paß bekommen habe, sie reicht mir Erfrischungstücher, wir gehen zusammen rauchen. Als ich ihr meinerseits Mineralwasser anbiete, simuliert sie einen entzückenden Schluckauf, um mir zu verdeutlichen, sie vertrüge die Kohlensäure nicht. Unser Zug fährt nach Moskau – wache ich nachher um entweder vier oder fünf nicht rechtzeitig auf, habe ich ein Problem –, dort will sie hin, Urlaub, ihren Bruder besuchen. Deswegen führt sie allerhand hausgemachte Würste und halbe Hühner mit, sehr zur Freude der Cockerspaniel.
An der kasachischen Grenze spielt sich draußen ein Drama ab. Eine Frau schreit und heult, als ginge es um ihr Leben, wirft sich zu Boden, immer mehr Uniformierte stehen drum rum und wissen auch nicht recht, was zu tun ist. Von oben aus dem Abteilfenster läßt sich deren Mützendurchmesser besonders gut bewundern. Ich finde nicht raus, was mit der Frau ist, es wird ein Geheimnis bleiben müssen. Es gesellen sich dann noch zwei junge Kerls zu uns ins Abteil, meine Reisegenossin protestiert schwach, es sei ein Damenabteil, mir ist es wumpe, ich liege eh im Hitzekoma und halluziniere vor mich hin.
Gegen halb eins setzen wir uns in Bewegung, gegen vier schrecke ich aus wilden Träumen: Der Zug steht. Ein Schnaffner, den ich vorhin fragte – hat bloß fünf Minuten gedauert, dann war ich zugweit bekannt wie ein bunter Hund, eine Deutsche, man stelle sich vor! –, behauptete, um vier seien wir in Turkistan. Springe hektisch hoch, keine Ahnung, wie lange wir hier schon stehen, sprinte zum Waggonende, werde vom Schaffner beruhigt: Ist noch nicht so weit. Ein Wechselmann gesellt sich dazu, Turkistan in einer Stunde, sagt er, um sechs, so kann ich mich endlich vergewissern, daß ich wieder eine Stunde verliere – im Lonely Planet stand’s nicht drin. Aus lauter Dankbarkeit wechsele ich beim Wechselmann meine restlichen Sum, ein sehr unbefriedigendes Geschäft, ich drücke ihm ein Fuder Scheine in die Hand und erhalte eine kümmerliche Banknote zurück. Das sei noch nicht alles, macht er mir klar, aber er hätte gerade nicht mehr Tenge, und seine Rubel will ich nicht.
Ich rauche gemeinsam mit dem Schaffner eine Zigarette, er sagt mir, wie schön ich sei, und lädt mich zum Flirten in sein Abteil ein, ich sage dankend ab, ich schlafe lieber noch eine Dreiviertelstunde.
Der Zug, wie gesagt, kommt pünktlich auf die Minute an. Meine Reisegenossin begleitet mich noch zur Tür, sie ist so süß, ich würde sie am liebsten behalten. Dann stehe ich kurz vor Tagesanbruch in Kasachstan. Auf dem Bahnsteig. Rum.
Einige der fliegenden Bahnhofshändler errichten ihre Stände, andere schlafen noch auf ebendiesen. Wechselmann kommt und drückt mir ein Häufchen Rubel in die Finger, Tenges sind und bleiben wohl knapp. Ein merkwürdiger Mensch mit Kutte, Turban und Gandalfstock spricht mich an, „Schwester“, sagt er, den Rest verstehe ich nicht. Er wird von einer Bahnhofsvorstehermatrone verscheucht, die ich nach einem Taxi frage, ohne große Hoffnung, hier regt sich noch nix in der Stadt. Sie erzählt mir viel, das ich wenig verstehe, dann nimmt mich ein alter Mann in seinem Mercedes mit in die Stadt. Nehme ich doch an. Hoffe ich irgendwie. Ich werde durch Schlafmangel nicht unbedingt plietscher.
Der Greis trägt eine Art Admiralsuniform und sieht darin wichtig aus, wahrscheinlich aber, nach meiner Erfahrung mit derartigen Sachlagen, ist er bloß zweiter Kellner. Oder nicht? Der Mercedes spricht dagegen. Keine Ahnung, ob das jetzt ein Taxi oder eine freundliche Geste ist, man kann ja auch nicht immer alles wissen.
Wir fahren im ersten Morgenlicht durch die schlafende Stadt. Halten auf einem Parkplatz, und von dort sieht man das Yassaui-Mausoleum, rosig schimmernd und unwirklich erhebt es sich aus einer karstigen Brache. Es ist der letzte Timur-Bau auf meinem Weg, und jetzt und hier, kurz vor Sonnenaufgang, an meinem ersten Morgen in Kasachstan, auf einem stuppigen Parkplatz, übermüdet und ohne ein Hotel in Sichtweite und stattdessen mit einem ungeklärten greisen Admiral am Hals, ist es wunderschön, viel schöner als zweimal Registan.
Ich packe die Brieftasche aus, aber der Admiral will kein Geld, der Admiral will Küßchen und eine Verabredung am Abend. Das Küßchen hat er mir derart blitzschnell ins Gesicht gehackt, daß ich mich kaum wegducken konnte, die Verabredung verstehe ich nicht, ich kann nämlich auch unheimlich wenig Russisch verstehen, wenn ich will. Er steigt in den Wagen, hält noch mal an, will doch Geld, hat sich wohl überlegt, der Tenge in der Hand sei immer noch besser als das Date auf dem Dach. Ich reiche ihm die zerknautschten Rubel, er darf sich die schönsten aussuchen, mehr als ein oder zwei Euro sind’s eh nicht. Wo das Hotel Yassi denn nun sei, frage ich, er weist mit einer großzügigen Geste Richtung Horizont, dann lichtet er Anker.
Steh ich hier also mal morgens in Kasachstan rum. Laßt uns Lonely Planet preisen, denn obwohl der über Turkestan nicht mehr als eine Seite zu berichten weiß, ein Stadtplänchen ist dabei. Ich schultere mein übergroßes Marschgepäck – der Frontbeutlerbeutel ist das Problem, mit Kamera und Laptop ist er zu schwer, Airbook müßte man haben –, und wandere, das Yasaui-Mausoleum zur Linken, dem Horizont entgegen.
Wo in der Tat alsbald das Hotel Yassi auftaucht. Dem Menschen, den ich dort geweckt kriege, sollte man aufgrund seiner Gemütsveranlagung einen Umzug nach Maschhad nahelegen. (Wer das dementsprechende Kapitel verpaßt hat: Er ist ein ekelhafter Bastard und behandelt mich wie ein Stück Scheiße.) Unsere Beziehung bessert sich auch nicht eigentlich durch die Tatsache, daß es wider Erwarten überhaupt keine Reservierung für mich gibt. Weil man in Buchara schon Schwierigkeiten hatte, die zu finden, gebe ich ihm meine Kopie, er schleudert sie mir zurück ins Gesicht. Barsch zeigt er auf die Preisliste und hat offensichtlich eine schwere Gästephobie. Nun kostet das Einzelzimmer 3.000 Tenge, gut 15 Euro, das kann ich mir leisten (nachmittags beim Smalltalk wird eine junge Ladenangestellte aus dem Staunen nicht rauskommen, wie ich in einem so teuren Hotel absteigen kann) – bloß a.) jetzt gerade nicht, ich hab ja noch keine Tenge, und b.) stellt sich damit wieder mal das große Fahrkartenproblem, denn die Fahrkarten, die in Buchara fehlten, sollte ich jetzt und hier in diesem Hotel hinterlegt bekommen, wo ich gleich, wenn ich mich nicht schnellstens unterwürfig zeige, mit Schlägen vor die Tür gejagt werde.
Ich mache dem Bastard klar, daß bei aller Liebe ich erst mit Banköffnung tengefähig werden kann, und bekomme ein Zimmer im Tausch gegen meinen Paß. Ist genau der Typ, dem ich gerne mal meinen Paß aushändige. Ist aber nicht zu ändern, ich kann im Augenblick nichts machen, in Hamburg ist es drei Uhr morgens, in Taschkent, wo die Agenturansprechdame beheimatet ist, deren Telefonnummer das letzte Mal schon nicht funktionierte, fünf Uhr früh. Das einzige, was ich grad tun kann, ist schlafen, und das kann ich sogar ziemlich gut.
Stef.